Die aktuelle Situation

Ablehnung der Gesetzentwürfe im Juli 2023 

Der Bundestag debattierte über die beiden verbliebenen Gesetzesentwürfe. Bei der  Abstimmung am 6. Juli 2023 im Bundestag fanden beide keine Mehrheit. 

Einig waren sich die Parlamentarier darin, dass die Suizidprävention gestärkt werden soll. Hinsichtlich des assistierten Suizids wird es jedoch (noch) keine neue Regelung geben. Manche sprechen in dieser Situation von einer Regelungslücke, andere begrüßen die damit verbundene Freiheit und Verantwortlichkeit.

Im Grunde ist damit der Zustand vor 2015 (Einführung des § 217 StGB – Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe) weiterhin der gültige. Das heißt, Suizid bleibt nach wie vor ein Akt, der nicht strafrechtlich verfolgt wird ebenso wie die Hilfshandlung dazu, der assistierte Suizid. Neu hinzugekommen ist durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020, dass das Recht, um Assistenz für ein selbstbestimmtes Sterben zu bitten, allen Personen zugebilligt wird, die entscheidungsfähig gelten. Der Wunsch nach Suizidassistenz bezieht sich damit nicht allein auf schwerkranke und sterbende Personen, sondern auch auf diejenigen, die aufgrund einer Lebenskrise sterben wollen. 

Problematisch ist es, dass das Betäubungsmittelgesetz die Freigabe von Substanzen, die einen sicheren und schmerzfreien Tod ermöglichen, sehr restriktiv regelt. Das bedeutet in der aktuellen Situation, dass sterbewillige Personen zwar um Assistenz bitten können, aber seitens der Ärztinnen und Ärzte die Ausgabe der todbringenden Substanzen nur in sehr engen Grenzen möglich ist. Das wird wohl dazu beitragen, dass Sterbewillige weiterhin in Länder wie die Schweiz fahren werden, um ihren Sterbewunsch umsetzen zu können.

Es ist zu erwarten, dass im Herbst erneut gesetzgeberische Anläufe gemacht werden, um an dieser Stelle zu regulieren. 


Vorschlag mehrerer Palliativ-Mediziner und Medizin-Ethiker

Nicht als Gesetzesvorlage im Bundestag, aber als Vorschlag für die Parlamentarier haben Fachleute um Prof. Gian Domenico Borasio ein Papier vorgelegt. Sie wollen den medizinisch assistierten Suizid eindeutig gesetzlich regeln, aber auch die Freigabe von Tötung auf Verlangen verhindern. Ausschließlich fachspezifisch ausgebildeten Ärzten soll die Assistenz zum Suizid erlaubt sein. Durch Dokumentation sollen eine Datengrundlage und Transparenz geschaffen werden.


Die Entwürfe 1 und 2 sind am 5. Juli 2023 im Rechtsausschuss des Bundestages auf Antrag der vorschlagenden Gruppen zu einem Gesetzentwurf zusammengelegt worden.


Am 28. November 2022 wurden die Gesetzesentwürfe sowie Anträge zur Suizidprävention im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages diskutiert.


24.Juni 2022

Mehrere Institutionen und fraktionsübergreifende Gruppen von Abgeordneten haben Entwürfe für eine Neuregelung des §217 vorgelegt. In einer ersten Lesung wurde am 24. Juni 2022 im Bundestag darüber diskutiert.

1. Entwurf Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD), Petra Sitte (Linke), Swen Schulz, Otto Fricke u.a.

Der Entwurf sieht unabhängige, staatlich finanzierte Beratungsstellen und eine entsprechende Beratungspflicht, vorzugsweise durch Ärzte, vor. Wer den freien Wunsch hat zu sterben oder einem Sterbewilligen zu assistieren, soll legal Zugang zu lebensbeendenden Medikamenten erhalten. Beratungsstellen haben ihre Qualitfikation nachzuweisen und werden regelmäßig evaluiert. Die Beratung soll ergebnisoffen und vollumfänglich über Risiken, Begleitumstände auch für Angehörige etc. aufklären. Die Antragsteller richten sich ausdrücklich gegen Strafrecht als Mittel der Wahl, um Suizide zu verhindern. Auch dieser Entwurf sieht vor:

Volljährigkeit, Informiertheit über Abläufe und Alternativen, autonome Willensbildung ohne Druck.

2. Entwurf Renate Künast, Katja Keul u.a.

Der Entwurf unterscheidet zwischen dem Sterbewillen bei

a) schwerer bzw. unheilbarer Krankheit ("medizinische Notlage") und

b) dem Sterbewunsch in gesundem Zustand.

Im zweiten Fall soll eine "vom freien Willen getragene feste Entscheidung" schriftlich von den Betroffenen dargelegt werden. Außerdem müssen dabei erörtert werden: die Dauerhaftigkeit des Wunsches, die Freiheit von äußerem Druck sowie die Frage, warum die zur Verfügung stehenden Hilfsangebote den Sterbewunsch nicht beseitigen können. Im Künast-Entwurf liegt die Kontrolle / Beratung grundsätzlich beim Staat und nicht bei Privatpersonen bzw. Fachleuten wie Ärzten, zudem sieht er eine Zeitspanne von mindestens zwei Monaten zwischen der Beratung und der Ausführung vor.

Weitere Voraussetzung für Straffreiheit: Volljährigkeit und eine zweimalige Beratung von einer unabhängigen Beratungsstelle.

3. Entwurf Lars Castellucci u.a. aus fünf Bundestagsfraktionen (ohne AfD)

Der Entwurf will verhindern, dass Menschen in schweren Lebenslagen, aber auch Dritte, z.B. Angehörige, unter Einfluss von Suizidhilfeangeboten in Rechtfertigungsdruck geraten. Sowohl die Autonomie der Entscheidung für den Suizid als auch die Prävention werden herausgehoben. Dafür gibt es begleitend einen Antrag auf Suizidprävention. Der Gesetzesentwurf sieht grundsätzlich strafrechtliche Maßnahmen in Fällen vor, in denen die engen Grenzen der erlaubten Assistenz überschritten werden, etwa für "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung". Unter bestimmten Voraussetzungen soll die geschäftsmäßige Unterstützung allerdings nicht rechtswidrig sein. Zudem soll ein Werbeverbot für die Hilfe zur Selbsttötung neu eingeführt werden.

Voraussetzung ist etwa die zweimalige Untersuchung durch einen Facharzt / ein Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von mindestens drei Monaten und ein zusätzliches Beratungsgespräch durch eine weitere Person aus dem Bereich Medizin, psychosoziale Beratung oder Suchtprävention.

Link zur Bundestagsdebatte am 18. Mai 2022

Juristisch umstritten ist die Einordnung des Freiwilligen Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF) als Suizid.

Immer wieder und genau zu klären ist die Freiverantwortlichkeit des Sterbewunsches, im Zweifelsfall auch mehrfach im längeren Prozess der Entscheidung. Der Deutsche Ethikrat hat auch dazu ausführlich Stellung genommen, insbesondere im Fall einer psychischen Erkrankung.

Weiter zu regeln wäre das individuelle Verbot von assistierender Suizidhilfe in einzelnen Einrichtungen und ein eventuelles Werbeverbot.